Cooltune  DIY_HighEnd_Audio

Lautsprecher

Einleitung

Da Audioentwickler oft gezwungen sind anhand subjektiver Grundlagen zu entscheiden, gibt es im Prinzip keinen richtigen oder falschen Weg Lautsprecher zu entwickeln. Die Qualität einer Entwicklung hängt insbesondere davon ab, wie nahtlos jeder einzelne Aspekt einer Lautsprecherkomponente integriert wurde. Es scheint letztlich bis zu einem gewissen Grad auch Geschmacksache zu sein.

Lautsprecher-Topologien

Dieses Thema ist vermutlich einer der Heikelsten im Entwicklungsprozess:

  • Typ des Lautsprechertreibers?
  • Vollbereichs-, 2-weg, 3-weg oder gar n-weg Systeme?
  • Dipol, Geschlossen, Ventiliert, Transmissionsline, TQWP oder gar Horn?

Ich habe gut klingende und kommerzielle Lautsprecher aller möglichen Typen angehört, die man sich vorstellen kann. Ausserdem besass und entwickelte ich geschlossene, nach dem Onken-Prinzip ventilierte, transmissionsline, Vollbereichs-, 2 bis 4-weg, elektrostatische und magnetostatische Lautsprechersysteme. Alle hatten ihre Stärken und Schwächen.

 

Quad ESL 57  &  Eigenbau Onken-Mahul System

Eigenbau Fostex Magnetostaten  &  Manger TML System

 

Während der Arbeit an meinem letzten Lautsprecher-Projekt, einem drei-kammer, TML Vollbereichs-Lautsprecher mit Manger's Biegewellenwandler MSW, kam ich zur Schlussfolgerung, dass es eigentlich keine Topologie gibt, welche alle meine idealisierten Anforderungen zu erfüllen vermag.

Überlegungen zur Konstruktion

Wie oben erwähnt, existiert keine alles überragende Topologie. Dennoch habe ich einige wichtigen Aspekte herausgearbeitet, welche meiner Meinung nach, ausgewogen eingesetzt und an den Treiber angepasst, zu hervorragenden Resultaten - und dies einigermassen unabhängig von der gewählten Topologie -  führen können:

Eine wohnraum-verträgliche Schalldruckkurve

  • Glatter Frequenzgang von ca. 40 Hz bis 16 kHz in der Umgebung, welche wichtig ist - ihr Hörraum!
  • Minimale Anregung von Raumresonanzen
  • Kompensation der Schallwandbeugung

Treiber für ermüdungsfreies Hören

  • Gute Anstiegszeit und Impulsantwort
  • Geringe Mengen an gespeicherter Energie im Treiber
  • Niedrige Verzerrungen, speziell der dritten Harmonischen

Kein Gehäuse - aber wenigsten Eines, welches (fast) nicht hörbar ist

  • Geringe Mengen an gespeicherter Energie im Gehäuse
  • Minimale Abstrahlung von Schallanteile über das Gehäuse
  • Restriktiver Einsatz von üblichen (nicht-linearen) Dämpfungsmaterialien, welche zu Verlust von Mikroinformation des abgestrahlten Schalls führen

Und nicht zuletzt

  • Es ist ratsam die Konstruktion einfach zu halten, was den Einsatz möglichst weniger Komponenten bedeutet!

Gehörfreundliche Schalldruckkurve

Ein Diskussionspunkt ist die Raumakustik. Wie bereits im Teil "Raumakustik - Hörraum-Analyse" gezeigt wurde, können theoretisch, dank der Raumverstärkung (Room-Gain), zwischen 20 bis 80 Hz eine beträchtliche Anzahl dB's gewonnen werden. In der realen Welt allerdings sind diese dB-Werte aufgrund flexibler Raumbegrenzungen wie Türen etc. etwas geringer. Immerhin, auch ein Gewinn von 9 bis 10 dB verbessert die akustische Energie im Raum beträchtlich. Nicht schlecht und erst noch gratis!

Ein weiterer Diskussionpunkt ist der Verlust durch die Schallwandbeugung. Bei hohen Frequenzen strahlt ein Lautsprecher den Schall direkt nach vorne. Bei tiefen Frequenzen "versickert" ein Teil des Schalls rund um die Seitenkanten und der Rückwand des Lautsprechergehäuses und der Schall wird richtungsunabhängig. Dieser Übergang führt bei tiefen Frequenzen zu einem Schalldruckverlust auf der nach vorne gerichteten Achse. Messungen im schalltoten Raum belegen einen Verlust zwischen 4 bis 6 dB.

 

Frequenzgang der Schallwandbeugungsverluste nach Olson

 

Die Übergangsfrequenz und die Höhe der Verluste hängen von den Abmessungen der Schallwand ab. Je schmaler die Schallwand, desto höher liegt die Übergangsfrequenz und desto höher sind die Verluste. Die Unregelmässigkeiten (Oszillationen) entlang des Frequenzganges können mit diversen Massnahmen wie anbringen von Filzstreifen rund um den Treiber, aussermittiges Befestigen des Treibers auf der Schallwand und/oder abrunden der Schallwandkanten reduziert werden.

Sobald eine normalisierte Schalldruckkurve des Raumes, wie auch die Beugungsverluste der entsprechenden Schallwand bekannt sind, wird es möglich, eine idealisierte Schalldruckkurve des Lautsprechers zu ermitteln, welche die beiden kombinierten Schalldruckurven des Raumes und der Schallwandbeugung exakt spiegelt.

 

gestrichelte braune Linie = kombinierte Kurve des normaliserten Hörraum-
Schalldruckes und der Schallwandbeugung für eine Schallwandbreite zw. 25 to 30 cm
gestrichelte
blaue Linie = gespiegelte Schalldruckkurve als Basis für die Konstruktion des Lautsprechers
  rote Linie = Beispiel einer angepassten 2 Pi Lautsprecher-Schalldruckkurve

 

gestrichelte braune Linie = kombinierte Kurve des normaliserten Hörraum-
Schalldruckes und der Schallwandbeugung für eine Schallwandbreite zw. 25 to 30 cm
gestrichelte
blaue Linie = Beispiel einer angepassten 2 Pi Lautsprecher-Schalldruckkurve
rote Linie = resultierende Hörraum-Schalldruckkurve

 

Während die Referenz-Schalldruckkurve die Raumverstärkung (Room-Gain) und Schallwandbeugung korrigieren, sind die Raumresonanzen immer noch vorhanden. Trotzdem überrascht es viele Zuhörer, wie stark damit der bis anhin unregelmässige und überhöhte Bass eliminiert werden konnte (das Ohr scheint bei Raumresonanzen sehr tolerant zu reagieren, solange die Schallenergie innerhalb des Raumes ausgewogen ist).

Lautsprechertreiber für ermüdungsfreies Hören

Ich liebe die Transparenz, klanglichen Details, Klarheit und das Impulsverhalten von elektrostatischen und magnetostatischen Lautsprechern. Weiter war ich sowohl vom Heil Air Motion Schallwandler, wie auch von einigen Treibern mit Papier/Carbon-Verbundmaterialien und Keramik sehr angetan. Wie sie sehen, die Auswahl ist gross!

Dann hörte ich Manger's Zerobox. Dieser Lautsprecher empfand ich dem Elektrostat nahe, allerdings vermisste ich seine ihm typische Klarheit und Impulsreproduktion. Da war "nur" dieses fast schon holographische Abbildungsvermögen, welche mich faszinierte und ich in dieser Form noch nie erlebt hatte. So hörte ich diese Lautsprecher für ein paar Stunden mit unterschiedlichstem Musikmaterial an, studierte seine technischen Daten und  entschied mich zum Schluss die Treiber für mein nächstes Lautsprecher-Projekt zu verwenden.

Gut, was ist nun mein Lautsprechertreiber für ermüdungsfreies Hören? Nach diesem Ereignis würde ich behaupten: Im Minimum ist es ein Lautsprecher, der ein sehr gutes Impulsverhalten mit fehlerfreiem Einschwingen zeigt. Dies kann anhand der Impuls- und Einschwingdiagramme geprüft werden.

Und was ist ihr bevorzugter ermüdungsfreier Treiber oder Lautsprecher?

Klangbeeinflussung des Lautsprechergehäuses

Lautsprechergehäuse beinflussen den Klang in drei wesentlichen Bereichen:

Erstens, Gehäuse haben im Bassbereich eine grosse Wirkung auf den Frequenzgang des Treibers. Dies wegen deren Topologie wie z.B. eines  geschlossenen oder ventilierten Gehäuses etc., und selbstverständlich auch wegen der Beugungsverluste der Schallwand.

Zweitens, Gehäuse strahlen zusammen mit dem Treiber ebenfalls Schall ab. Einerseits strahlt der im Gehäuse installierte Treiber ebenso viel Energie in das innere des Gehäuses, wie er in den Hörraum abgibt. Die abgegebene Energie in das Gehäuse führt zum Druckanstieg. Ein Teil der Energie geht als Wärme im Dämpfungsmaterial verloren, ein anderer Teil beim Verbiegen der Gehäusewände. Vieles davon erscheint wieder ausserhalb des Gehäuses. Einerseits wegen des meist dünnen Treiberkonus, der eine extrem schwache Schallbarriere darstellt. Andererseits überträgt der Treiber mechanische Vibrationen direkt an das Gehäuse. Ich bin überzeugt, dass diese Effekte vorallem im unteren und oberen Bassbereich auftreten, wo die üblicherweise eingesetzten Dämpfungsmaterialien ziemlich ineffektiv sind. Alle genannten Effekte sind wichtig und ich bin daher ebenso überzeugt, dass der geneigte Zuhörer oft keine Ahnung hat, über den unglaublichen Anteil an Schall, der über ein grosses Frequenzspektrum direkt durch die Wände der Lautsprechergehäuse nach aussen dringt sowie - wie bereits erwähnt - auch durch den Konus des Treibers. 

Drittens sind die üblichen Dampfungsmaterialien, wie bemerkt, nicht nur ineffektiv im Bassbereich, sondern haben auch ein nicht-lineares Dämpfungsverhalten über den gesamte hörbaren Frequenzbereich und verschiedenen Lautstärken (SPL). Diese Nicht-Linearitäten beinflussen die Bewegung des Treiberkonuses und in letzter Konsequenz dessen Frequenzgang inklusive Verzerrungen.

Konstruktionsansätze für die Bewältigung dieser Unzulänglichkeiten sind sehr anspruchsvoll! Was muss demnach unter diesen erschwerten Bedingungen in Betracht gezogen werden?

Lautsprechergehäuse sollten:

  • So klein wie nur möglich sein und irgend eine Art der Druckentlastung besitzen oder aber unter Anwendung eines Dipols vermieden werden
  • Einen linearen akustische Abschluss besitzen unter Verwendung von Dämpfungsmaterial mit einem möglichst linearen Frequenzgang (SPL), durch gründliche Zerstreuung (Diffusion) oder unter Verwendung einer Kombination beider Ansätze
  • Die Übertragung mechanischen Vibrationen durch den Treiber minimieren
  • Keine eigene Schallenergie abgeben oder dies zumindestens minimieren
  • Vibrationen angeregt durch den Raum verhindern oder minimieren